Unsere Finalisten des Schreibwettbewerbs „Bookdate Contest“

Unsere 9 Finalisten für den Schreibwettbewerb „Bookdate Contest“ stehen fest!

Vom 29.01.–15.02.2019 hatten wir euch aufgefordert, an unserem Schreibwettbewerb „Bookdate Contest“ teilzunehmen.

Nach über 270 Einreichungen hat sich unsere Jury, bestehend aus Romance-Autorin Sarah Saxx, den Fantasy-Autoren Robert Corvus und Bernhard Hennen sowie Iris Kirberg von BoD und Yvonne Uelpenich von TWENTYSIX, neben den 3 Gewinnern des Community-Votings auf 6 weitere Finalisten geeinigt.

Wir freuen uns sehr, euch heute endlich die 9 Geschichten zu präsentieren, die eine Runde weiter gekommen sind. Die Jurystimmen zeigen, dass es alles andere als leicht war, aus den Einreichungen nur jeweils zwei Finalisten auszuwählen. In Leipzig wird dann final entschieden, wer die drei Gewinner unseres Wettbewerbs sind.


Romance

Jurymitglied Sarah Saxx

„Unter all den eingereichten Texten waren wirklich viele dabei, die für reichlich Kopfkino gesorgt haben. Hier eine Entscheidung zu fällen war keine leichte Aufgabe, doch schließlich fiel meine Wahl auf jene beiden Szenen, die mich nicht nur an die Zeilen gefesselt und mich tief im Inneren berührt haben, sondern auch ein Bild in meinem Kopf entstehen ließen mit dem Wunsch, unbedingt weiterlesen zu wollen.“

Portraitbild der Autorin Sarah Saxx

Pärchenfoto auf einer Holzscheibe, daneben eine Kaffeetasse
Community-Gewinnerin Romance

Jasmin Winter

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Kaum schließt sich die Tür des Cafés hinter mir, fällt mein Blick auf einen Mann, der mit gesenktem Kopf nicht weit von mir entfernt an meinem Auto steht. In dem Moment, als mein Herz ihn erkennt, schlägt es mir bis zum Hals. „Jack?“ Nachdem er sich langsam zu mir umgedreht hat, treffen sich unsere Blicke. Seine Augen brennen sich förmlich in meine und lassen mich nicht mehr los, fixieren mich, als wollten sie jede Regung meines Gesichts aufnehmen. Sofort stürmen so viele Erinnerungen und Empfindungen auf mich ein und halten mich an Ort und Stelle fest. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn. Ohne den Blick von mir abzuwenden, kommt er langsam auf mich zu, bleibt kurz stehen und kommt dann noch näher. Viel zu nah. Als er nach meinem Handgelenk greift, muss er spüren, wie schnell mein Puls schlägt, denn ein zaghaftes Lächeln legt sich auf seine Lippen, ein Lächeln, das eine wilde Achterbahnfahrt der Gefühle in mir auslöst. Meine Knie werden unter seinem Blick immer weicher.
„Du hier?“, ist das Einzige, das ich herausbringe. Tolle Konversation, Josie. Doch bei meinen Worten zieht er mich nur noch enger an sich. „Wenn nicht hier, wo dann?“, haucht er, und ohne dass ich darauf vorbereitet bin, legt er plötzlich seine Lippen auf meine, was mein Herz für einen Moment zum Stillstand bringt. Mein ganzer Körper reagiert stärker, als es mir recht ist, auf den Zusammenstoß unserer Lippen. Ohne etwas dagegen tun zu können, erwidere ich den Kuss. Hitze strömt durch meinen Körper, und ich habe das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen. Für einen Moment lasse ich mich im Sturm meiner Gefühle davontreiben. Doch schon im nächsten Moment löst er seine Lippen von meinen. Schwer atmend steht er vor mir, und ich erkenne den Sturm, der in ihm tobt– der gleiche, der auch in mir wütet. „Tut mir leid, Josie, ich …“Bevor ich auch nur ansatzweise reagieren kann, ist Jack bereits verschwunden. Schon wieder.
Und mein Herz zerspringt ein weiteres Mal.“


Taxi-Karte auf einem Schreibtisch

Stefan Wolf

lestaffell

Es ist fast 20 Jahre her. Ich stand am Bordstein und wartete auf ein Taxi. Hinter mir tobte die Silvesterparty: Weltuntergangsstimmung. Die meisten Gäste trugen Hütchen, T-Shirts, Buttons mit „2000“-Schriftzügen. Und alle Gäste erwarteten (ängstlich und euphorisch) einen großen Systemausfall um Mitternacht. Noch 5 Minuten bis zum Jahreswechsel! Y2K war in aller Munde, in allen Köpfen. Nur: Mir war das egal. Mein Schädel brummte; ich musste nach Hause. Und vielleicht würde ich jetzt – 5, nein, 4 Minuten vor Mitternacht – schnell ein Taxi erwischen.
Tatsächlich. Am Straßenrand hielt ein Taxi, und die Reifen quietschten. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Warum so eilig? Egal, mein Kopf surrte und summte. Ich musste nach Hause. Also öffnete ich die Tür – und hörte die Stimme einer Frau, der Fahrerin: „Schnell! Wir haben nur 2000 Zeichen.“
2000 Zeichen? Was meinte sie? Die Sekunden bis Mitternacht? Die Millisekunden? Ich konnte nicht denken und stieg ein.
Die Fahrerin war nicht viel älter als ich. Sie war ein bisschen albern angezogen, für eine Taxifahrerin. Auf ihrer Nase trug sie eine „2000“-Brille (ihre Augen blitzten durch zwei funkelnde Nullen); auf einer Anstecknadel stand: „Das Ende kommt.“ Ihr Blick leuchtete auf, traf mich, und ich war verzaubert. In meinem brummenden Kopf kreisten zwei Wörter: Kuss oder Korb.
Sie fuhr los, ohne dass ich ihr meine Adresse gegeben hatte. Im Radio sagte jemand: „Nur noch 3 Minuten!“
Sie fragte: „Glaubst du an den 2000-Crash?“
Ich rieb mir die Schläfen. „Ist mir egal. Glaubst du daran?“ Korb oder Kuss.
Ihre Augen leuchteten, und ihre Stimme war tief, hart. „Ich weiß, dass gleich alles vorbei ist.“
„Wie meinst du das?“
Sie lächelte traurig. „Ich bin, wenn du so willst, die allwissende Erzählerin. Wir haben noch 204 Zeichen.“
Der Radiomoderator rief: „2 Minuten.“
Das Taxi hielt an einer roten Ampel, und mir war nichts mehr egal. Kein Brummen mehr. Korb oder Kuss. Noch 1 Minute. Ich beugte mich zur Fahrerin. Sie gab mir einen K.


Sammlung von Polaroidfotos

Hilga Höfkens

hilgahoefkens

Ob er weiß, auf welches Blind Date er sich eingelassen hat? Sehr unwahrscheinlich, aber nun ist es soweit.
Ich sitze hier in meinem Lieblingscafé und nippe an meinem Latte Macciato. Hier habe ich immer den gleichen Platz und der Kellner kennt mich auch, das macht es für mich viel leichter, auf einen Fremden zu warten.
Wird er überhaupt herkommen, oder gleich abdrehen, sobald er mich sieht. Wird mein Wunsch sich heute erfüllen? Ein verrückter Wunsch, völlig abgedreht und unrealistisch. Trotzdem gebe ich die Hoffnung niemals auf. Es muss diesen Menschen geben, dem nicht wichtig ist, was ich nicht kann, sondern wer ich bin.
Jemand tritt an meinen Tisch. „Hi Lina, ich bin Maik.“ Ich bebe innerlich, aber ich schaffe ein Lächeln. „Hi Maik, schön dich endlich kennen zu lernen.“
Mit einem Seufzer lässt er sich mir gegenüber nieder. „Es tut mir leid, dass ich spät dran bin.“ Dann lacht er plötzlich. „Aber wir haben ja alle Zeit der Welt, da kommt es auf die fünf Minuten auch nicht an.“
Jetzt ist es soweit, ich muss ihn mit den Tatsachen konfrontieren.
Ich greife demonstrativ nach meinem weißen Stock, dann drücke ich auf meine Uhr.
„Es ist fünfzehnuhrzehn“, tönt die Ansage.
Auf der anderen Tischseite bleibt es still. Ein weiteres unsicheres Lächeln zuckt um meine Lippen.
„Zehn Minuten, aber das macht ja nichts.“ Immer noch Stille. Mein Herz rast.
„Maik, bist du noch da?“ Er räuspert sich. „Ok, so wörtlich hatte ich mir das Blind Date nicht vorgestellt.“ Dann lacht er wieder. „Hast du noch mehr Geheimnisse? Immer her damit, jetzt bin ich gerade in Übung.“ Er ist noch da und er will immer noch reden, aber ich bringe vor Anspannung keinen Ton heraus. Sekunden verstreichen, ich schlucke hart.
„Lina, bist du noch da?“ Ich nicke heftig und dann lachen wir gleichzeitig los.


Fantasy

Jurymitglieder Bernhard Hennen & Robert Corvus

„Beeindruckt hat uns die Vielfalt der Beiträge: Wir wurden in eine Welt unter zwei Sonnen entführt, in Moore und Wälder, in Ruinenstädte, in Wohnzimmer und nach Ostfriesland. Bei so unterschiedlichen Texten fiel die Wahl schwer, weswegen auch niemand enttäuscht sein sollte, wenn sie oder er es diesmal nicht ganz an die Spitze geschafft hat. Am Ende haben wir die beiden Beiträge ausgewählt, denen das gelungen ist, was gute Fantasy ausmacht: Sie haben uns vergessen lassen, dass wir in unseren Arbeitszimmern gesessen haben, und ließen uns den Hauch einer verzauberten Welt spüren.“

Autorenduo Bernhard Hennen und Robert Corvus

Polaroid-Foto eines Prinzessinenschlosses
Community-Gewinnerin Fantasy

Jasmin Iser

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Es waren dunkle Träume, die sie heimsuchten, Träume, die nicht gewöhnlich waren, deren unsichtbare Fänge nach ihrem Körper gierten, um sie zu verschlingen.

Elva schlug die Augen auf, umklammerte einen Strauß roter Rosen, die zugleich in ihren Händen verwelkt waren, als sie sich gedanklich wieder dem Traum gewidmet hatte, der selbst am Tag ihr Verfolger war. Ihr Blick war starr den Bergen zugewandt, die sich bis in den wolkenverhangenen Horizont erhoben, deren Gipfel leuchteten wie rotes Gold. Es war spät, sie hätte sich schon längst zur Ruhe legen müssen. Doch der Gedanke an den Traum, an die schmerzvollen Fänge, war noch immer allgegenwärtig.
„Wie Dornen!“ Geistesabwesend fuhr Elva über die vertrockneten Blüten, die in ihre Haut schnitten, was sie nicht wahrnehmen konnte, weil sie zu tief in ihren Gedanken verhaftet war.
Schließlich fiel ihr Blick erneut durch das kalte Glas. Es war gefrostet, ein weißer Schleier lag auf der anderen Seite, als wäre es ein Tor in eine winterliche Dimension. Sie war nach einer Rosengattung benannt worden, die sich nur in einem winzigen Detail von den anderen ihrer Art unterschied. Die Elva trug keine Dornen, war eine vollkommene Schönheit, ohne Ecken, ohne Kanten – wie sie.
Doch die Rosen, die ihre Heimat umgaben wie das Meer die Küsten, verloren bereits seit vielen unerträglich langen Monaten ihre Blüten, die verwelkten, ehe sie den satten Erdboden berühren konnten.
Da hörte sie wieder einen leisen Aufschrei, der an ihren Traum erinnerte, ein unangenehmes Rauschen, das ihren ganzen Körper so sehr erschütterte, dass sie auf die Knie sank. Ihr glasiger Blick fiel auf die vertrockneten Blüten, die sie noch immer fest umklammerte, als ihr bewusst wurde, dass es die Rosen waren, deren Tode sie hatte am eigenen Leib erfahren müssen.
„Sterben sie …“ Elva rief sich die Worte ihrer verstorbenen Mutter ins Gedächtnis, die stets lauter wurden, wenn die Zeit des Sterbens wieder angebrochen war. „Sterben sie, wirst auch du sterben!“


Leuchtschild mit den Worten "Bekannte Fremde"

Stephanie Wittern

steffiwittern

Sie öffnete die Augen und befand sich auf einer Wiese umgeben von Blumen, die sie noch nie gesehen hatte. Der Himmel über ihr war blau und die beiden Sonnen standen im Westen und waren dabei unter zu gehen. Zwei Sonnen? Wo war sie? Sie stand auf. Im Tal erblickte sie eine gläserne Stadt, die in den Himmel ragte. Fliegende Autos waren zu sehen. Vor erstaunen klappte ihr Mund auf.
„Wir haben dich schon erwartet“, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie drehte sich erschrocken um und blickte in das Gesicht eines riesigen Mannes. Er hatte von den Schläfen abwärts einen schmalen Streifen Schuppen und lange silberne Haare, die zu einem Zopf zusammengebunden waren.
„Was heißt hier wir?“, fragte sie ruhig, obwohl ihr Verstand schrie, dass hier irgendwas nicht stimmte.
„Ich habe auf dich gewartet“, sagte er und kam dichter. Er streckte die Hand aus. Sie wich zurück, aber er war schneller und berührte sie. Die Berührung schickte ein Prickeln durch ihren Körper. Sie schloss die Augen. Das Gefühl war vertraut und seine Hand war es auch. Was war hier los? Wo war sie? Und warum hatte sie das Gefühl ihn zu kennen? Sie wich nun doch zurück und er ließ sie gewähren.
Er hatte den Kopf schräg gelegt und sah sie wachsam an. „Ich sehe viele Fragen in deinem Blick, aber ich kann sie dir jetzt noch nicht beantworten“, sagte er.
Von irgendwoher hörte sie eine Stimme. „Wach auf! Nicht sterben!“
„Du musst gehen“, sagte der Mann und richtete sich auf.
„Aber wer bist du?“, fragte sie sehnsüchtig.
„Jemand der auf dich wartet.“
„Nochmal“, schrie wieder die Stimme. Ein Zucken ging durch ihren Körper. Der Mann lächelte sie an. „Bald“, sagte er.
Die Umgebung verblasste. Es war so, als würde sie aus einem Traum erwachen. Als sie die Augen nun schon zum zweiten Mal aufschlug, blickte sie in grelles Licht. In Krankenhauslicht.
„Sie hat es geschafft“, sagte jemand neben ihr. Sie sah hinüber und erblickte dasselbe Gesicht wie in ihrem Traum, nur war es diesmal menschlich.


Amulett

Liliane Schauerte

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Neshira hatte den Namen in den Morgennebel gesprochen, und wusste, dass Anghiske kommen würde. Der du die Ahnungslosen in die Moore reißt, Ross der Ertrunkenen, Schatten der Sümpfe. Knietief stand sie im schlammigen Wasser. Frösche quakten, Wasservögel trillerten ihr erstes Lied. Das Schilf flüsterte Geheimnisse.
Sie legte das Totem aufs Wasser, ein Pentagramm aus Zweigen. Eine schwarze Feder, zusammen mit einem Zahn, so lang wie ein kleiner Finger, und Ästchen mit roten Beeren waren daran gebunden, mit einem roten Band mit Perlen und angelaufenen Glöckchen. Sie schloss die Augen, die Hand darüber schwebend.
Plötzlich verstummten die Vögel und Frösche, als hätte man sie erschlagen. Wasser plätscherte leise. Etwas wölbte sich unter ihrer Handfläche.
Flink griff sie zu, spürte Schnüre und die runden Erhebungen von Perlen und Schellen. Nach Ertrunkenen stinkendes Fell floss unter ihren Fingern vorbei. Neshira öffnete die Augen.
Anghiske war gekommen.
Nasses Fell spannte sich über seine scharfen Rippen, seine Mähne, strähnig und verfilzt, hing bis zu seinen Knöcheln hinab, sein Schweif verlor sich zwischen sterbenden Seerosen. Rote Schnüre wanden sich fest um seinen Körper und zwangen seinen Kopf auf die Brust. Tief schnitten sie in sein Fell, verschwanden zwischen seinen Lefzen wie eine Trense, und lagen zwischen den Erhebungen seiner Wirbelsäule, die zu seinem Kopf hin zu knorrigen Hörnern verwachsen waren.
Elegant schwang Neshira sich auf seinen Rücken. Anghiske knurrte voller Hass. Nur einmal hatte er versucht, sie abzuwerfen, erbittert und böse, bevor sie ihm mit blutigen Händen die Schnüre des König Schellen um den Kopf band.
Mit jedem Schritt schien Anghiske im Moor zu versinken, schwarzes Wasser schwappte über Neshiras Beine, Hüften, Schultern. Tote Vögel streiften ihre Beine. Unter Wasser war seine Mähne ein Schleier aus Algen. Bräunliches Licht kreuzte die Schatten des Schilfs.
Neshira schloss die Augen erneut und trieb Anghiske an.


Crime

Jurymitglieder Yvonne Uelpenich & Iris Kirberg

„Bei Schreibwettbewerben finden wir immer am spannendsten, dass jeder Teilnehmer das vorgegebene Thema ganz individuell interpretiert. So hat man als Jurymitglied die Wahl zwischen urverschiedenen Geschichten – was die finale Auswahl natürlich umso herausfordernder macht! Aber: Es sind immer ein paar Geschichten dabei, die in einem etwas wachrütteln und sofort im Gedächtnis bleiben. Genau das, war bei unseren beiden Favoriten der Fall!“

Iris Kirberg

Rosenblätter mit einem Zettel und den Worten "Die Gedanken sind frei"
Community-Gewinnerin Crime

Julia Frank

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Ich habe schon ewig auf die Einladung zu diesem Treffen gewartet und jetzt ist es endlich soweit – meinem Schritt ins nächste Level steht nun nichts mehr im Weg.
Pünktlich am nächsten Abend warte ich also vor dieser unscheinbaren Wohnungstür, hinter der sich meine Zukunft verbergen soll. Noch bevor ich anläuten kann, wird mir die Tür von einem kleinen, drahtigen Mann geöffnet.
„Bitte mir nach – der Meister wartet schon auf dich!“
Den Raum, wo das Wunder geschehen soll, habe ich mir definitiv spannender vorgestellt. Überall sind Bücher und Krimskrams in den Regalen, ein paar Pflanzen stehen lieblos herum und von der Decke hängt ein altmodischer Kronleuchter.
Überraschenderweise bin ich nicht allein mit dem Meister, sondern es ist noch eine weitere Frau im Zimmer. Der Meister lässt uns auf zwei Stühlen Platz nehmen und wir beginnen mit der Zeremonie.
Durch verschiedene Meditations- und Hypnosetechniken werde ich endlich in ein neues, erfolgreicheres Leben gehen können. Wir schließen die Augen und gleiten in einen tranceartigen Zustand. Nach nur wenigen Minuten höre ich, wie die Atmung meiner Sitznachbarin immer angestrengter und flacher wird. Ich versuche mich trotzdem weiter auf meine Trance zu konzentrieren, was mir aber aufgrund des immer röchelnderen Geräusches kaum mehr möglich ist.
Dann ist es plötzlich still, unheimlich still. Ich kann nicht anders, öffne meine Augen und erstarre. Die Frau, die gerade noch atemringend neben mir gesessen hat, hängt nun mit weit aufgerissenen, völlig leeren Augen offensichtlich tot in ihrem Stuhl. Ich möchte aufspringen, um nach ihr zu sehen, doch ich kann mich überhaupt nicht mehr bewegen.
Ein Blick in die Augen des Meisters lässt meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden: ER hat die Kontrolle über meinen Körper! Mein Herz rast wie wild und mir schießen Gedanken durch den Kopf: hat ER den Tod dieser Frau zu verantworten? War ER es, der ihre Atmung gedrosselt hat? Und das alles mit der Macht der Gedanken?


Polaroidfotos mit Aufzeichnungen von Bergen

Leonie Dries

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„Wo zur Hölle sind wir hier gelandet?“, flüsterte sie und umgriff seine Hand fester. Seine Finger waren noch kälter als ihre.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Levi.
Ihre Schritte hallten in dem großen Raum, obwohl sie sich bemühten, leise Bewegungen zu machen. Der ganze Innenraum war mit Metall verkleidet, was dem Raum ein merkwürdiges Licht verlieh, so als wäre es nicht von dieser Welt. Die Wände waren mit hohen, silbernen Regalen ausgestattet. Überall standen große Gefäße. Augen glotzten sie an. In den Gläsern waren die verschiedensten Tiere eingelegt. Frösche, Vögel, Fische, auch einen kleinen Affen konnten sie sehen.
Einen Gang weiter lagerten verschiedene menschliche Körperteile. In einem Gefäß war in dem schwachen Licht sogar ein Herz zu erkennen. Svea musste schlucken. Sie waren an einem gruseligen und einschüchternden Ort gelandet. Die Gläser erinnerten sie an eine Sonderausstellung, die sie einmal vor Jahren in einem Naturkundemuseum gesehen hatte. Damals hatte sie die Geschöpfe in den großen Gläsern, die ein bisschen an Einmachgläser erinnerten, mit großen Augen betrachtet, fasziniert davon, wie gut sie alle erhalten waren, obwohl einige bereits schon hunderte von Jahren alt waren.
Aber das hier war etwas anderes. Das war keine Sonderausstellung, das war die bittere Realität. Durch das bläuliche Licht wirkten sie besonders entstellt und furchteinflößend. Es roch nach Aceton. Sie kannte den Geruch, es war ein gängiges Konservierungsmittel für jegliche biologische Proben.
Hallende Schritte rissen sie aus ihren Gedanken. Jemand näherte sich der verschlossenen Tür. Sie versuchten sich eng an die Regale zu drücken, in der Hoffnung, dass sie niemand an diesem abgelegen Ort entdecken würde. Mit einem zischenden Geräusch, wie von einer giftigen Schlange, ging die schwere Tür plötzlich auf. Weißes Neonlicht fiel in den schwach erleuchteten Raum. Schemenhaft konnten sie eine dunkle, große Gestalt ausmachen, die bewegungslos in der Tür stand.


Das Buch "Elbschmerz" von Nicole Wollschlaeger

Nicole Wollschlaeger

nicolewollschlaeger

Vorsichtig stiegen sie durch das Loch in der Tür. Ein muffiger Geruch schlug ihnen entgegen. Goldberg ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Zwei gefüllte Müllsäcke lehnten an der Wand, der Rest lag noch aufgerollt auf einem der Tische. Es sah gespenstisch aus, als hätten die Handwerker fluchtartig ihren Arbeitsplatz verlassen. Als er den Fußboden in Augenschein nahm, verstärkte sich dieses Gefühl. Er stieß Hauke an.
»Guck dir das an«, flüsterte er und deutete auf einen Abschnitt ein paar Meter vor ihnen.
»Scheiße.«
»Im wahrsten Sinne des Wortes.«
Neben verstreuten Camping-Utensilien war der Boden mit verkrustetem Vogelkot übersät.
»Die Scheißkrähen haben sich hier einquartiert.«
Ein Geräusch ließ sie aufhorchen. Es hatte wie ein Scharren geklungen. Zeitgleich setzten die Männer sich in Bewegung, die Waffen schussbereit angewinkelt. Wenn hier jemals Vögel gehaust hatten, waren sie inzwischen verschwunden. Sie gelangten in den kleinen Raum, den Goldberg von draußen bereits gesehen hatte. Die Stützbalken an der Decke waren mit einer schwarz-weißen Masse bedeckt.
»So eine verdammte Sauerei. Wie viele von diesen Viechern müssen das gewesen sein?« Angewidert senkte Hauke den Kopf.
Der übernächste Raum war deutlich kleiner. Als Goldberg durch den Türrahmen trat, stockte er plötzlich. Sein Blick blieb an der gegenüberliegenden Wand hängen. Hauke war ebenfalls abrupt stehen geblieben. Entgeistert betrachteten die beiden Polizisten das Kunstwerk. Es fehlte nur noch ein Scheinwerfer, der den Kopf, der dort hing, gebührend zur Geltung brachte.
»Oh heilige Scheiße«, entfuhr es Hauke.
Für einen langen Augenblick standen sie reglos da, wie Reiher, die auf Beute warteten. Goldberg ging langsam auf die Wand zu. Die Augen, die ihm entgegenstarrten, kannte er gut. Sie hatten ihn schon einige Mal prüfend angesehen. Meistens jedoch hatten sie ihn angelächelt. Jetzt starrten sie leblos ins Leere.

 


Das Bookdate in Leipzig am Freitag, 22. März 2019, bildet den Abschluss unseres Bookdate Contests. Dieser Abend findet im INNSIDE Leipzig – Sky Lounge in der Gottschedstraße 1 statt und ist die perfekte Veranstaltung für alle Autoren, Leser, Blogger und alle Schreib- und Bücherfans die sich auch für Self-Publishing interessieren. Auf der Bühne werden die drei finalen Stories pro Genre präsentiert, von einer professionellen Sprecherin gelesen und vom Publikum und der Jury per Voting gewählt.

Im Anschluss an das Programm tauchen wir gemeinsam bei Drinks, Buffet und Musik in die verschiedenen Genrewelten ab und freuen uns auf den Austausch. Die Teilnahme am Bookdate Leipzig ist natürlich kostenlos!

Zur Anmeldung

Kommentare

  • Tolle Auswahl der Gewinnergeschichten.
    Zwar war mein Text aus dem Roman „Wild Heart Rock – Die Sache mit Serge“ nicht mit dabei, aber ich möchte hier dennoch erwähnen, daß ich diese „Rockerromanze in Frankreich“ am Weltfrauentag veröffentlicht habe, und ich freue mich über alle, die mich heute nochmal auf Instagram besuchen. Letzter Tag auch für meine Verschenkaktion des E-books zur Feier der Erstveröffentlichung. Als nächstes wird’s bei BOD als gedruckte Variante erhältlich sein. lg und ein K… Franka Spielberg

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