Bookdate Contest 2021: Die finalen Geschichten stehen fest

Unsere neun Finalisten für den Schreibwettbewerb "Bookdate Contest 2021" stehen fest!

Vom 16. März bis 9. April 2021 haben wir zusammen mit TWENTYSIX die drei besten Geschichten zum Thema: „Anfang oder Ende?“ in den Genres Romance, Fantasy und Crime gesucht.

Nachdem viele tolle Geschichten eingereicht wurden, hat unsere Jury, bestehend aus Saskia Louis, Greg Walters und Nicole Wollschlaeger drei Geschichten pro Genre für das Finale ausgewählt. Wir freuen uns, dir heute die neun besten Geschichten präsentieren zu dürfen.

Das große Finale des Bookdate Contest findet am 28. Mai 2021 online auf unserem YouTube-Kanal statt. Die Geschichten werden von der Sprecherin Beatrix Hermens gelesen und die Gewinnergeschichten von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zuhause gewählt. Wie du für deine Lieblingsgeschichte abstimmen kannst, erklären wir dir natürlich rechtzeitig hier auf dem Blog oder während der Veranstaltung.

Romance-Finalistinnen

Saskia Louis:

„Ich war wirklich baff, welch eine Vielfalt an eingesendeten Beiträgen mich erreicht hat! Es war unglaublich schwer, mich zu entscheiden, da die Texte so grundverschieden sind. Jeder stellt ein ganz eigene Interpretation von einem Anfang oder einem Ende dar. Letztendlich habe ich mich jedoch für eine runde Mischung an Szenen entschieden, die mich alle auf ihre Art und Weise berührt, zum Lächeln oder Nachdenken gebracht haben.“

Nadine Folger

„Ich hasse es“, raunte Elliot in sein Handy.
„Es ist Scheinwerferlicht! Was kann man daran hassen?“, hörte er die tadelnde Stimme seiner besten Freundin am anderen Ende.
„Alles! Es sieht einfach …“ er suchte nach Worten „… unnatürlich aus! Wie eine Musicalproduktion aus den 80ern.“
Emma seufzte: „Wenn du natürliches Licht willst, darfst du dein Stück in keinem Theater aufführen!“
Elliot dachte kurz darüber nach und Emma unterbrach ihn sofort: „Nein, du machst es nicht Open-Air!“
„Schon gut!“, entgegnete er und ließ sich tiefer in den Theatersessel sinken.
Elliot musterte erneut missmutig die Lichtshow.
„Irgendwelche Ratschläge für mich?“
„Ja … lerne den neuen Techniker erstmal kennen, bevor du ihn verfluchst!“
„Nicht, wenn er sowas auf die Bühne bringt! Ich habe selten sowas Peinliches und … Hübsches gesehen.“ Ein attraktiver Mann war auf die Bühne getreten und musterte stirnrunzelnd die Strahler an der Decke.
„Was?“, fragte Emma verwirrt.
„Ich schwöre! Der neue Veranstaltungstechniker sieht aus wie Chris Hemsworth!“
„Was?“, wiederholte Emma aufgeregt.
„Ja! Ich bin verliebt! Was soll ich tun?“
„Das, was ich tun würde. Schmachte ihn von der Ferne an und wenn er endlich eine Freundin hat, holst du dir eine Katze!“
„Klingt nach einem tollen Plan, aber ich bin allergisch gegen Katzen!“
„Seit wann?“
„Seitdem ich mit dir in ‚Cats‘ war!“
„Wobei die eine echt gute Lichtshow hatten!“, erinnerte sich Emma.
In diesem Moment drehte sich Chris Hemsworth auf der Bühne um und sah Elliot direkt an. Einen Augenblick kam es ihm so vor, als bliebe die Zeit stehen.
„Ich habe dich da gar nicht sitzen sehen!“ Chris Hemsworth fuhr sich nervös durch die Haare und lächelte verschmitzt. „Ich kann das besser! Versprochen! Das wirkt wirklich arg … unnatürlich! Wie eine Musicalproduktion aus den 80ern.“
Elliot sah ihn nur stumm an, bevor er wieder ins Telefon raunte. „Viel Spaß mit deiner Katze, Ems! Ich angle mir jetzt einen Hemsworth!“
Er legte auf und rannte lächelnd zur Bühne.

Ina Brandt

Acker

Raus aufs Feld. Ich gehe immer aufs Feld raus, wenn meine Gedanken so kompliziert werden. Am besten, ein karger, trockener Acker.

Nichts lenkt ab. Nichts ist laut. Nichts ist hübsch, oder in Bewegung. Die Luft ist kalt heute. Ich spüre meine Füße. In den Schuhen. Den Schuhen, die eben noch neben deinen standen.

Und dann denke ich daran, wie deine Schuhe gestern an Dir aussahen, passend zu deinem roten, etwas zu sommerlichen Kleid. Unbedingt wolltest du, dass schon Frühling ist, hast du gesagt.

Ich muss laufen. Verdrängen. Im Verdrängen bin ich der Meister. Was nützt es denn, den Frühling zu zwingen? Wenn am nächsten Morgen kalte Luft die Hände in die Taschen scheucht. Wenn der Nebel die erste Wärme geschickt verdeckt und mieses Grau den Morgen überzieht.

Wortlos gegangen bist du. Fast dramatisch. Eine Filmszene beinahe, in Slow-motion, immer wieder vor meinen Augen. Ins Bad, die Haare irgendwie zusammengewurschtelt. Den Mantel geschnappt, in die besagten Schuhe geschlüpft, die noch neben diesen meinen Schuhen standen. Deine Hand an meine Wange gelegt, und, man wusste jetzt nicht, küssen, nicht küssen? Hätte die Filmszene einen Soundtrack gehabt, er hätte da mit Sicherheit kurz pausiert. Mein Herz auch. Kein Kuss. Weg warst du.

Jetzt, hier auf dem Acker, brennt mein Herz immer noch. Was nun? Was schreibt man? Schreibt man was? Wartet man lieber? „War schön mit dir“ – zu platt für diese Szene. Eine wie du, da braucht es mehr. Deine Augen waren auf der Flucht. Nur keine Nähe riskieren. Warum? Ablehnung? Unsicherheit? Aber deine Hand … Das war doch eine zärtliche Geste. Für 2 Sekunden. Never-ending, aber viel zu kurz.

Der Acker. Nun inspiriert mich noch dieser Acker hier. Karg und rau, zu warten, ob die Sonne irgendwann wiederkommt. Zu hoffen, deine warmen Sonnenstrahlen legen sich ein weiteres Mal auf mich.

Cornelia Jost

Möwen kreischten. Wie eine Wand erhob sich der Rumpf des Schiffes vor ihr. Eine steife Brise trieb die Wellen gegen den Kai und sie musste ihren breitkrempigen Hut festhalten, damit er nicht im Wasser landete. Sie blickte hinauf zur Reling, wo andere Gäste bereits flanierten. Manche der Frauen trugen noch gestärkte Korsetts, während es andere legerer angingen und ihre Silhouette nur mit einem Bindeband betonten.

„Darf ich Sie nach oben begleiten“, fragte eine sonore Stimme neben ihr.
Sie wandte sich um. Ein adretter Matrose in gestärkter Uniform reichte ihr seinen Arm. Sie hakte sich bei ihm ein und gab ihm mit Leichtigkeit ihren vollen Koffer.
„Ihr erstes Mal auf einem Schiff?“, wollte er wissen, als sie die Gangway hinaufgingen.
„Das erste und hoffentlich auch das letzte Mal“, erwiderte sie.

Sie drehte sich kein einziges Mal mehr um. Nicht, als sie das obere Deck erreicht hatten. Nicht, als die Anker gelichtet wurden und die Menge am Kai ihren Liebsten zuwinkte. Nicht, als das Schiff in See stach.
Sie stand am Bug und blickte auf das glitzernde Wasser und den Sonnenuntergang, in der Hand hatte sie ein gekühltes Getränk, das ihr ein Steward gerade gebracht hatte. Zusammen mit einem Kompliment zu ihrem wunderschönen Aussehen. Sie hatte ihm mit einem dezenten Lächeln gedankt, aber innerlich hatte sie gejubelt. Sie hätte nicht gedacht, dass es so einfach wäre, eine Frau zu sein.

Fantasy-Finalistinnen und -Finalisten

Greg Walters:

„Eisschlösser, gefallene Engel, Alchemisten, die Erde vor ihrem Untergang und viele weitere grandiose Ideen, die zeigen, wie vielfältig das Genre Fantasy sein kann. Dazu so unterschiedliche und erfrischende Schreibstile, dass es einem schwer fällt, sich aus den Geschichten zu lösen. Nicht immer war klar, ob es sich dabei um einen Anfang oder das Ende handelt. Oft schien beides möglich zu sein und im Sinne der Lesenden kann ich nur hoffen, dass die kurzen Stories der Teilnehmenden erst der Anfang vieler weiterer Erzählungen sein werden. Die großartigen Einreichungen machten es mir schwer zu entscheiden, welche Geschichten ins Finale gehören. Am Ende sind es jene drei Erzählungen geworden, deren Welten mich am schnellsten gefesselt und entführt haben. Es sind Geschichten, die mich begierig machten, noch tiefer in sie einzutauchen und dort weitere Abenteuer zu erleben. Ich kann den Finalist*innen nur zu ihrer außerordentlichen Fantasie gratulieren – und den Lesenden viel Freude beim Entdecken der neuen Welten wünschen.“

Alexander Lenz

Ein Knall erschütterte die Höhle. „Kakerlakendreck! So ein Nichtsnutz“, schimpfte die gebrechliche Alchimistin Helga. Grüne Nebelschwaden stieß der Sud des Kessels nun aus, als sie erneut die Mixtur mit dem kostbaren Klapuskraut ruiniert hatte. Ihr Gehilfe Besta hatte wieder einmal die Feuerstelle nicht unter Kontrolle halten können und dadurch überhitzte das empfindliche Kraut. Der Trank der ewigen Jugend war verloren. „Weißt du wie mühsam es war das Klapuskraut zu beschaffen? Du Holzkopf hast es vermasselt.“
„Helga, der Kessel ist viel zu klein!“
„Reiß dich bloß am Zipfel, Bürschchen. Dein Hirn ist viel zu klein, sonst hättest du nicht noch mehr Holz nachgelegt. Der Anfang war gut, doch das Ende ist wieder ordentlich schief gegangen. Der Trank der ewigen Jugend ist ein Prestige unter uns Alchimisten. Sobald wir ihn gemeistert haben, bist du auch kein einfacher Gehilfe mehr. Verstehst du das?“ Helgas Rivalin Idaria hatte vor Jahrzehnten bei ihrem ersten Versuch Erfolg. Sie wollte ihr im Nichts nachstehen, nur ohne einen gescheiten Gehilfen, würde daraus nie etwas werden. Plötzlich riss die Kette durch, an der der Kessel eingehängt war und er krachte auf die Feuerstelle. Das Unglück nahm seinen Lauf.
Die blubbernd grüne und zähflüssige Mixtur ergoss sich über Besta. Er schrie auf! Wie es der Zufall wollte, erlitt er keinerlei Verbrennungen. Der Trank der ewigen Jugend gelang den beiden. Es gab nur ein Problem. Helga wusste nicht, was der ausschlaggebende Punkt war. Fragen konnte sie ihren Gehilfen nicht mehr. Er brabbelte nur noch in seiner übergroßen Kleidung. „Bmabram.“
Mit ihren knochigen, verschrumpelten Händen hob sie das Baby auf. „Kakerlakendreck, wie soll ich nur das jemanden erklären?“ Helga schaute dem kleinen Wonneproppen in die Augen. „Du kleiner Fratz, machst es der alten Dame nicht gerade leicht.“

Maria Weber

Tränen liefen über Nessas Gesicht, als sie auf die Rauchwolken starrte, die sich bis zum Horizont erstreckten. Das war das Ende. Der Wald war tot. Ihr Zuhause vernichtet.
Nessa spürte noch immer die Hitze der Flammen auf ihrer Haut, hörte die Schreie der Bäume, die in dem Feuer brachen und das Brüllen ihrer Krieger, die ihr Leben gaben. Die Menschen waren über ihre Stellung hinweg gerollt wie ein Gewittersturm.
Sie zog ihren Dolch aus dem Gürtel und kniete neben einem niedergebrannten Baumstumpf. Sie schnitt eine Grimasse, als der Schmerz der scharfen Klinge durch ihre Handfläche schoss. Rotes Blut tropfte auf grauen Grund. Sie nahm die Asche und warf sie in die Luft, wo sie sogleich von einer heftigen Windböe erfasst wurde. Gaia würde ihren Schwur zu ihrem Volk tragen. Königin Rayanne musste wissen, dass der Nordwald nicht mehr existierte.
Hinter ihr knackte ein Ast. Nessa wirbelte herum. Aris stand zwischen den Überresten zweier alter Eichen. Grüne Augen starrten ihr aus dem Ruß bedeckten Gesicht entgegen wie zwei Smaragde. Das getrocknete Blut aus der Wunde an seiner Stirn hinterließ abstrakte Streifen auf seiner Wange. An seinem linken Ohr fehlte die Spitze, wodurch es beinahe aussah wie ein menschliches Ohr. Er ließ die Feuerwaffen der Menschen in das verkohlte Laub vor ihre Füße fallen. Er zitterte vor Erschöpfung, doch der Ausdruck seiner Augen hätte den Wald erneut in Brand stecken können.
Nessa bückte sich und hob ein Gewehr auf. Sie zuckte zusammen, als sie die Kälte des Metalls an ihrem Arm spürte. Kalt wie der Tod.
Sie würde die Menschen nie verstehen. Nur Wesen, die so kurzlebig waren, konnten auf die Idee kommen, Waffen als Mittel zum Frieden einzusetzen. Dieser Frieden war vergängliche Ruhe, erkauft mit Blut und Tod. Das würde Nessa ihnen klar machen.
Sie hob den Blick und sah Aris langsam nicken.
Die Natur würde sich aus der Asche erheben, genau wie sie. Gaia währte ewig.
Das war nicht das Ende. Es war der Anfang einer Revolution.

Alena Klar

Das Küchenmesser steckte tief in seiner Brust. Mit zusammengepressten Lippen sah er erst an sich herab und dann zu mir.
„Das war wirklich unnötig – und dazu noch vollkommen sinnlos.“
Ein frustrierter Seufzer entfuhr ihm, bevor er das Messer am Griff packte und es mit einem beherzten Ruck herauszog.
Mein letztes Fünkchen Hoffnung erstarb, als nicht Blut, sondern schwarze Nebelschwaden aus der Wunde quollen. Der beißende Geruch von Schwefel ließ mich rückwärts gegen die Küchentür taumeln.
„Was bist du?“
Fassungslos, aber ohne die Antwort abzuwarten, riss ich die Tür auf und lief ins Wohnzimmer. Laute Bässe schlugen mir entgegen. Die Party war noch im vollen Gange. Rücksichtslos zwängte ich mich durch die schwitzenden, dicht gedrängten Körper. Ich musste hier raus, fort von dem, was in der Küche lauerte.
Sobald meine Füße den Gehweg berührten, rannte ich los. Mein Atem ging schwer. Mein Körper wehrte sich gegen die ungewohnte Anstrengung.
Einmal wieder normal sein. Tanzen, mit meinen Freunden feiern, die allgegenwärtigen Kopfschmerzen und die Strapazen der letzten Monate vergessen. Mehr hatte ich nicht gewollt. Jetzt würde ich den Preis dafür zahlen.
Ich geriet ins Straucheln und stolperte über den Bordstein. Tränen schossen mir in die Augen, als ich mit der noch nicht verheilten Naht auf den Asphalt prallte.
Ein Schatten legte sich über mich. Ich blickte auf und begegnete den kalten Augen meines Verfolgers.
„Es ist Zeit.“
Tränen liefen mir über die Wangen. „Warum?“, hauchte ich.
„Du weißt warum. Die Vorzeichen waren unmissverständlich.“ Erbarmungslos sah er auf mich herab.
Meine Worte waren kaum noch ein Flüstern, als ich fragte: „Bist du etwa der Tod?“
Dunkle Schwingen breiteten sich hinter ihm aus.
„Nur einer von vielen.“
Mit bebendem Körper und kraftlosen Gliedern unternahm ich einen letzten Versuch von ihm wegzukriechen.
„Gwen, vertrau mir“, er streckte mir seine Hand entgegen und ein unerwartetes Lächeln umspielte seine Lippen. „Dies ist erst der Anfang.“

Crime-Finalistinnen

Nicole Wollschlaeger:

„Die Bandbreite und der Einfallsreichtum der Einsendungen haben mich begeistert. Es hat Spaß gemacht, in so viele verschiedene Welten einzutauchen. Die Auswahl der drei Finalisten fiel mir entsprechend schwer. Die Texte, die ich ausgewählt habe, haben mich nicht nur durch ihre lebendigen Figuren überzeugt. Sie haben mich von Anfang an gepackt und mich mit einem stimmigen Cliffhanger neugierig zurückgelassen. Chapeau!“

Lilly Frost

Kein Entkommen

Ihre Füße fliegen über den Waldboden. Die Dunkelheit hüllt sie ein wie dichter Nebel. Ein Kauz schreit. Sie blickt hektisch über ihre Schulter, fühlt seine Anwesenheit. Sie stolpert, fällt hin. Der Geruch von feuchter Erde steigt ihr in die Nase und der von Angst. Sie rappelt sich hoch. Ihr Turnschuh hat sich verfangen. Hektisch streift sie ihn ab und hastet weiter. Tiefer in die Finsternis, die erfüllt ist von fremden Geräuschen.
Sie tastet nach ihren Rippen, fühlt, wie er sie getreten hat. Wieder und wieder. Ihre Mitte fühlt sich an wie ein einziger blauer Fleck. Vielleicht hat er ihr eine Rippe gebrochen?
Ein Knacken. Ihr Herz trommelt wild in ihrer Brust, verstärkt den Schmerz. Sie muss weiter. Irgendwo Schutz suchen. Sie hat ihn verletzt. Vorhin, als er sie schlug. Ihre Finger krallten sich in das Bücherregal, während er über ihr kauerte. Lächelnd. Seine Faust krachte in ihr Gesicht. Einen Moment lang dachte sie, ihr Kopf würde explodieren. Sterne. Farben. Schmerz. Dann schwang er seinen Fuß, der in ihrem Rippenbogen landete. Sie bekam keine Luft. Ertastete ein Buch. Daneben etwas Hartes. Aus Stein. Eine Skulptur. Sie packte sie. Der Schmerz ließ sie zittern. Die Figur krachte auf seinen Kopf. Ein Schrei. Seiner dieses Mal. Sie rappelte sich auf, zog sich an der Couch hoch. Sie stürzte aus dem Haus, in dem er sie seit Tagen gefangen hielt. Und lief.
Sie hetzt weiter, rennt so schnell ihre Füße sie tragen. Immer wieder späht sie zurück, erwartet, seine Fratze zu sehen. Gestrüpp peitscht ihr ins Gesicht. Die Dunkelheit breitet sich aus wie schwarze Tinte. Irgendwo fährt ein Fahrzeug. Eine Straße? Sie schlägt die Richtung ein, aus der der Motorenlärm kommt. Die Bäume lichten sich. Asphaltierter Untergrund. Zwei Scheinwerfer, die sich nähern. Sie wedelt wild mit den Armen. Tränen der Erleichterung laufen ihr über die Wangen. Der Wagen hält. Die Fahrertür öffnet sich. Im selben Moment begreift sie, dass sie wieder am Anfang steht.

Tanja Griesel

Frühstücksei

„Ich könnte dich…“
„Töten?“ Er ließ die Messerspitze auf das Ei herabfallen, das er mit der linken Hand festhielt. Am Anfang ihrer Ehe hatte sie noch die Hoffnung gehegt, sie könne sich an die Art, sein Frühstücksei zu öffnen, gewöhnen. Aber es war ihr nicht gelungen.
„Wie würdest du es anstellen?“, bohrte er nach. Sie wandte den Blick ab, sog hörbar Luft durch die Nase ein und ließ sie mit einem leisen Zischen aus dem leicht geöffneten Mund entweichen. Ein feiner Schmerz, rechts vom Schlüsselbein an aufwärts. Da hatte sich etwas festgesetzt.
Er schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte und sie hielt für einige Sekunden den Atem an. „Du wirfst mir einen Satzbrocken hin, um mir zu sagen, dass ich ein Arschloch bin und dann kneifst du.“
Sie seufzte. „Ich würde dir etwas ins Essen mischen. Bio, fair und regional, versteht sich.“
Er lachte laut auf und bestrich sein Croissant mit Marmelade. „Das ist gut, mach weiter!“
„Ich denke an diese dunklen Beeren.“
„Die du neulich von deinem Spaziergang mitgebracht hast?“
„Atropa Belladonna“, erklärte sie, „Atropos ist die Göttin, die den Lebensfaden durchtrennt. Stilvoll, oder? Erst wird dein Mund trocken, die Pupillen weiten sich, das Herz rast, der Atem wird flach. Du bekommst keine Luft mehr.“
Sie erhob sich, stellte den Kaffeebecher in die Spüle und verließ den Raum. Er sprang auf und folgte ihr.
„Willst du nicht wissen, wie ich es tun würde?“
Sie kramte in der Porzellanschale auf der Kommode.
„Suchst du den hier?“
Sie sah auf und er hielt ihr den Autoschlüssel unter die Nase.
„Ich hab mir gestern dein Auto geliehen.“
„Und?“ Sie griff sich ihre Tasche und öffnete die Tür.
„Ich würde die Bremsleitungen durchschneiden.“
Sie zog eine Augenbraue hoch und grinste. „Leb wohl!“
Einen Moment lauschte er auf die Schritte im Treppenhaus, die sich leise entfernten. Dann fiel sein Blick in den Spiegel. Kam es ihm nur so vor oder waren seine Pupillen heute Morgen etwas größer als sonst?

Amelia Green

Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte dem Feuerwerk nicht zugesehen.
„Clifford!“, zischte ich, als mein Partner sich eine Gewürzgurke aus einer Schale nahm. „Wir sind dienstlich hier! Was tust du?“
„Ich esse Pickles und genieße die Silvesterfeier“, sagte er lachend. „Wonach sieht‘s denn aus?“
Ich beherrschte mich mühsam. „Es sieht danach aus, als hättest du unsere Verdächtigen mehr als nur aus den Augen gelassen! Wo ist der Admiral?“
„Essen.“ Clifford nickte zum anderen Ende des Raumes hin. „Alles unter Kontrolle. Und du betonst doch gerne, dass wir Privatermittler sind, also dürfen wir im Dienst feiern. Hattest du schon von diesen Krabben? Ich muss gucken, ob ich noch welche finde.“
Ich war versucht, meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, unterließ es allerdings, weil ich bereits von dem Lärm im Saal Kopfschmerzen hatte.
„Es wird schon keiner umgebracht“, meinte er. „Es ist das Ende des Jahres! Der Anfang eines neuen Jahres!“
„Welche Freude“, antwortete ich ironisch. „Beschattung, wenn ich bitten darf!“
„Es ist eine Minute vor Mitternacht! Lass uns auf die Terrasse gehen und das Feuerwerk anschauen. Wir können auch nächstes Jahr ermitteln.“
Um die Diskussion zu beenden, nickte ich. „Aber nur kurz!“
Clifford lotste uns nach draußen. Es war kalt, aber die Gäste schien das nicht zu stören. Sie sahen gebannt nach oben.
„Zehn“, sagte mein Partner, auf die Uhr sehend. „Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Frohes neues Jahr!“
Über uns explodierte eine Rakete und goss rote Funken über den Nachthimmel. Mit einem Knallen wie von etlichen Pistolen folgte ein Feuerwerk nach dem anderen, gold, blau, grün. Es war ein fantastischer Anblick.
Dann ertönte ein Schrei: „Hilfe! Polizei!“
Wir drängten uns in die Richtung. Die Gäste standen um den Admiral herum, der reglos am Boden lag, einen dunklen Fleck auf der Brust.
„Er ist tot!“, rief jemand. „Dass das Jahr so anfängt! Dass sein Leben so enden musste!“
Knallen wie von etlichen Pistolen.
„Clifford“, sagte ich leise. „Wir wollten das hier vermeiden!“

Wir gratulieren allen Finalisten herzlich und freuen uns auf viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei dem digitalen Bookdate, das am 28. Mai auf unserem YouTube-Kanal stattfinden wird.

Autorin

Rebecca Neumann

Rebecca Neumann

ist seit 2021 im Bereich Projektmanagement für das Marketing-Team tätig und ist zuständig für Kommunikationskampagnen. Wenn sie nicht gerade bei einem Spieleabend mit Freundinnen und Freunden abräumt, findet man sie meistens mit der Nase in einem Sci-Fi- oder Jugendroman.

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