Auszug aus „Die Öko-Gertrud“ aus dem Kurzgeschichtenband „Weihnachten in unserer Zeit“
(…) Die Wochen vergingen und die Sommerferien rückten immer näher. Dieses Jahr sollte es nach Griechenland gehen. Am letzten Tag vor dem Flug besuchte ich Gertrud noch einmal und gab Bauer Martens konkrete Anweisungen für ihre Pflege während meiner Abwesenheit.
„Mach dir mal keine Sorgen, junger Mann, ich pass schon auf Gertrud auf, der passiert hier nichts.“ Das beruhigte mich. Vierzehn Tage waren Mama, Papa und ich unterwegs, und es gab keinen Tag, an dem ich nicht an Gertrud dachte. In Griechenland gab es auch Gänse. Sie liefen frei auf den Höfen umher oder rannten auf den engen Straßen in den Dörfern. Aber keine sah so hübsch aus, wie meine Gertrud.
Nach unserer Rückkehr führte mich mein erster Weg zu Bauer Martens. Gertrud erkannte mich sofort und rannte hoch erhobenen Hauptes und mit breit aufgestellten Flügeln schnatternd auf mich zu. Sie war groß geworden und zu einer richtigen Gans herangewachsen. Das Namensband hatte Bauer Martens anscheinend erneuern müssen, so dick war ihr schöner Hals mittlerweile geworden. Am liebsten hätte ich sie mit nach Hause genommen, aber ich sah natürlich ein, dass eine Gans in dem vornehmen Viertel unserer Wohnsiedlung vielleicht doch nicht passend war. Außerdem hatte Gertrud mittlerweile die Angewohnheit, bei jedem, der vorbeikam, lauthals anzuschlagen, was wiederum in unserer Straße die Bewohner um ihre Nachtruhe gebracht hätte. Ich begnügte mich also mit meinen Besuchen bei Gertrud und nahm mir vor, aus ihr etwas ganz Besonderes zu machen. Ich hatte gehört, dass man Gänsen kleine Kunststücke beibringen konnte. Im Internet las ich viel darüber und begann in den kommenden Monaten mit dem Training.
Der Sommer ging in den Herbst über. Gertrud war ein gelehriges Tier. Woher das Sprichwort „dumme Gans“ kam, war mir ein Rätsel. Sie lief mir hinterher, wenn ich sie rief, und sie konnte auf Kommando über eine Wippe laufen oder unter ihr hindurch marschieren. Sie war sogar in der Lage, mir auf Befehl die Schuhbänder aufzuziehen. Das Training mit Gertrud war unser Geheimnis. Erst wenn sie alle Kunststücke perfekt beherrschte, wollte ich ihr Talent präsentieren und sah schon die bewundernden Gesichter meiner Eltern und Freunde vor mir, wenn es soweit war.
Hallo liebe Frau Bellmann, diese kleine Geschichte führt mich zurück in meine Kindheit und erste Jugendjahre, die ich auf einer großen Gärtnerei verbracht habe, die etliche große und kleine Tiere beherbergte, unter anderem auch Gänse. Sie waren für uns Kinder liebe Spielkameraden, deren Watschelgang uns immer wieder faszinierte.
Sie haben einen spannungsreichen Bogen gezogen, auf dessen glückliches Ende ich nun gespannt warte, vielleicht ja schon bei Ihrer Weihnachtslesung am 25.11.2016 in der „Lewer Däle“ in Liebenburg.
Von der Ponderosa grüßt
Fritz Rubin
Gut erzählt
Volker