Zehn Grundregeln für ein professionelles Buchblockdesign

Buchaufbau, Satzspiegel, Mikrotypographie & Co.: In unserem Artikel erklären wir dir, was du für ein professionelles Buchblockdesign wissen musst.

14.04.2021 · BoD Gestalten · Wissen

Eine gute Buchgestaltung ist lesefreundlich und unterstützt unaufdringlich, aber wirkungsvoll deinen Inhalt. Wer bewährte Regeln und typische Erwartungen an Genre und Textart beachtet, hilft den Leserinnen und Lesern dabei, Informationen aufzunehmen und sich ganz auf Text und Lesefluss konzentrieren zu können. In unserem Artikel erklären wir dir deshalb die zehn Grundregeln für ein professionelles Buchblockdesign.

1. Buchaufbau: Die Titelei enthält Informationen zum Buch

Der Text eines Buches beginnt in der Regel frühestens ab Seite fünf. Davor steht die Titelei: Schmutztitel, Schmutztitelrückseite (Frontispiz), Titelblatt und Impressum.

Der Schmutztitel schützte früher den Buchblock vor Verschmutzung und enthält heute meist klein gesetzt den Titel. Die Rückseite ist häufig leer; hier können aber auch Informationen zu Titel, dir als Autorin oder Autor oder eine Widmung stehen.

Das Titelblatt enthält den Namen von dir als Autorin oder Autor, den Titel und ggf. den Untertitel.

Ins Impressum gehören Copyright- und Herstellungsvermerk, also Erscheinungsjahr, Name des Rechteinhabers, Name des Verlags, Name und Ort der Druckerei und die ISBN.

Auf den Seiten der Titelei gibt es keine Seitenzahlen (Paginierung).

Die Titelei besteht aus Schmutztitel, Schmutztitelrückseite (Frontispiz), Titelblatt und Impressum.

2. Satzspiegel: Eine lesefreundliche Summe aus Rändern und Fläche

Der Satzspiegel ist die mit Text und Abbildungen gefüllte Fläche der Buchseite, die sich aus den Maßen der Seitenränder ergibt. Ein großzügiges und ausgewogenes Verhältnis von Satzspiegel und Weißraum optimiert den Lesefluss für deine Leserinnen und Leser.

Die Seitenränder (Stege genannt) sollten am Kopfsteg beginnend im Uhrzeigersinn immer breiter werden: Kopfsteg < Außensteg < Fußsteg < Innensteg. Die Breite des Satzspiegels gibt die Zeilenlänge vor, die weder zu kurz noch zu lang sein sollte und von Schrift und Schriftgröße abhängt (ein Richtwert für den Grundtext sind 50-60 Buchstaben inkl. Leerzeichen).

Ästhetisch ist ein luftiger Satzspiegel mit großzügigen Rändern wünschenswert – da dieser auch direkte Auswirkung auf Seitenzahl und Ladenpreiskalkulation hat, findet man in der Praxis in der Regel Kompromisse zwischen Theorie und Wirtschaftlichkeit.

Auf dieser Abbildung siehst du ein ausgewogenes Verhältnis von Satzspiegel und Weißraum.

3. Grauwert: Bleiwüsten beeinträchtigen die Lesbarkeit

Der so genannte Grauwert beschreibt die ästhetische Anmutung, die sich aus dunkler bedruckter und heller unbedruckter Fläche beim Buchdruck ergibt. Je dunkler und dichter der Grauwert, umso schwerer lesbar ist der Text. Dunkel und dicht wird der Grauwert durch schmale Ränder, geringen Zeilenabstand, enge Laufweite der Schrift (Breite der einzelnen Buchstaben) und geringe Zeichen- und Wortabstände.

4. Schriften: Optimale Lesbarkeit, klare Gliederung, inhaltliche Akzente

Eine gute Buchschrift ist vor allem eines: lesefreundlich. Bei erzählenden Texten unterstützt die Grundschrift den Lesefluss und hilft dem Auge, die Zeile zu halten. Hier sind klassische Buchschriften wie Garamond, Aldus, Sabon oder Palantino geeignet. Moderne Beispiele wären Tisa, Fira oder Novel Pro.

Überschriften strukturieren deinen Text und die einzelnen Abschnitte. Titelschriften (Kapitelüberschriften) können wiederum Inhalt und Stimmung des Buches reflektieren: Verspieltere Schriften beim Liebesroman, futuristische bei Science-Fiction. Auch bei Ratgebern oder Sachbüchern nimmt die Schrift oft Thema und Tonalität des Textes auf: Klassisch, modern, frisch oder nüchtern.

Der Inhalt und die Stimmung deines Buches kann durch die Schriftart deiner Kapitel unterstützt werden.

5. Schriftgröße und Zeilenabstand: Jede Schrift ist anders

Gleiche Schriftgröße heißt nicht gleiche Anmutung oder gleiche Lesbarkeit. Jede Schrift hat individuelle Eigenschaften, die beeinflussen, welche Punktgröße optimal ist: die Größe der Kleinbuchstaben (Mittellänge) im Verhältnis zur Größe der Großbuchstaben (Versalhöhe).

Eine Helvetica wirkt in 12 Punkt größer als eine PT Sans, weil Schriften mit im Verhältnis größeren Mittellängen meist größer wirken.

Die Lesegrößen liegen im Schnitt zwischen 8 und 12 Punkt – welche für den gewählten Satzspiegel ideal ist, muss anhand der Zeilenbreite, Zeichenzahl und Schrift im Zusammenspiel mit dem Zeilenabstand beurteilt werden. Dieser liegt zum Beispiel in InDesign standardmäßig bei 120% der Schriftgröße, kann aber auch bei 140% ideal sein.

Schriften mit im Verhältnis größeren Mittellängen wirken größer als andere Schriften, auch wenn die Schriftgröße identisch ist.

6. Wörter und Schriftbild: Störungsfreie Gleichmäßigkeit

Im Idealfall stört nichts den Lesefluss: Keine Löcher im Text durch große Wortzwischenräume im Blocksatz, schon gar nicht in zwei untereinanderstehenden Zeilen (Gassen), keine irreführenden Trennungen (Urin-stinkt), keine einzelnen Zeilen am Seitenanfang (Hurenkind oder Witwe), keine einzelnen Zeilen am Seitenende (Schusterjunge oder Waisenkind; diese lässt man heute aber teilweise stehen), keine einzelnen Silben in der letzten Absatzzeile (Fliegenschiss) und keine unausgewogen getrennten Überschriften, in denen eine Zeile über die maximale Zeilenbreite läuft, aber die zweite Zeile nur über wenige Worte.

Hier siehst du ein Beispiel für einen Buchsatz, bei dem der Lesefluss durch z. B. Löcher im Text gestört wird.

7. Sinnabschnitte und Lesefluss: Zusammenhalten, was zusammengehört

Absätze trennen die einzelnen Sätze eines inhaltlichen Abschnitts voneinander. In erzählenden Texten werden Absätze häufig eingerückt, damit sie beim Lesen gut erkennbar sind. Szenen- oder Perspektivwechsel ergeben einen neuen Sinnabschnitt, den eine Leerzeile davor ankündigt. Hier kann auch mit typographischen Schmuckzeichen gearbeitet werden, die in Buchschriften meist im Zeichensatz enthalten sind. Abstände vor Überschriften werden größer gesetzt als Abstände zwischen Überschrift und nachfolgendem Text, um sie visuell als zusammengehörig zu kennzeichnen. Stark gegliederte Sachtexte nutzen (oft nummerierte) mehrstufige Ebenen von Überschriften.

8. Auszeichnungen: Weniger ist mehr!

Hervorhebungen wie fett, kursiv oder unterstrichen sollten sparsam verwendet werden, damit sie ihre Wirkung entfalten können. Sind zu viele Textstellen besonders gekennzeichnet, fällt es schwer, den Blick auf das Wesentliche zu fokussieren.

9. Mikrotypographie: Die Kunst steckt im Detail

Auf die richtigen Zeichen kommt es an: Typographische Anführungen, Auslassungspunkte, Gedankenstrich, Trennstriche, Apostroph. Gute Buchschriften enthalten einen vollständigen Zeichensatz inklusive für den Buchsatz geeignete Interpunktionszeichen, Sonderzeichen und Ziffern.

10. Buchstabenpaare: Unterschneidung, Kerning, Ligaturen

Buchstaben haben unterschiedliche Zeichenbreiten und umgebenden Weißraum. Ein gleichmäßiger Abstand zwischen mehreren Buchstaben wird beim Lesen als angenehmer empfunden. Der Abstand zwischen bestimmten Buchstabenpaaren wie AV oder Pa wirkt durch die Schrägen größer und wird von Satzprogrammen durch Unterschneidung (Kerning) ausgeglichen. Ein Qualitätsmerkmal professioneller Schriften ist ihr Zeichenumfang, denn zusätzliche Zeichen, Buchstabenkombinationen und Verbindungen (Ligaturen) erübrigen ein manuelles Eingreifen. Ein anschauliches Spiel zum Thema Unterschneidung zeigt der Designer Tobias Frere-Jones.

Autorin

Andrea Kock

Andrea Kock

ist für die Bereiche Buchdesign & Lektorat und Digital & Produktentwicklung verantwortlich. Seit 2003 hat Andrea die Entwicklung von BoD in verschiedenen Funktionen mitgestaltet.

Kommentare

  • Liebe Jessica,
    super Artikel, kann ich als Grafikerin alles nur bestätigen! Was ich noch wichtig fände zu erklären: Der Akzent ´ ` (am Ende der Ziffern) im Vergleich zum Apostroph ‚ ’ (Shift bzw. Alt+Shift + Rautetaste). Oft sehe ich, dass Akzente statt Apostrophs gesetzt werden, oder dass das Apostroph von der Richtung nicht stimmt (mal abgesehen davon, dass sie gerne an Stellen gesetzt werden, wo gar keins hin gehört, aber das steht auf einem anderen Blatt …).

    • Moin Christiane,
      vielen Dank für dein Feedback.
      Stimmt, dass ist eine sehr gute Ergänzung! Wir freuen uns immer, wenn wir solche tollen Tipps bekommen.
      Danke dir!
      Viele Grüße
      Jessy von BoD

    • Liebe Christiane,
      darf ich dich ein bisschen korigieren? Der Apostroph ist männlich ; ) und die Mehrzahl heißt Apostrophe.
      Du sprichst aber ein interessantes Problem an, mit dem ich mich auch schon auseinandergesetzt habe. Ich bin schließlich wieder beim ‚Akzent‘-Zeichen als Apostroph gelandet, weil das Zeichen über der Raute (shift + #) als einfaches Anführungszeichen (Gänsefüßchen) Verwendung findet, das ja am Wortanfang im Deutschen nach unten gesetzt wird. Wenn man das Zeichen als Apostroph am Wortanfang verwendet ( z. B.: Er hat ’ne Meise), wird es daher von der Textverarbeitung (Word) automatisch nach unten gesetzt (was hier im Kommentar nicht passiert)- ist also in dem Fall nicht als Apostroph zu gebrauchen.

  • Ich weiß, ich bin spät dran, möchte aber trotzdem einen Punkt erwähnen. Ich bin mir sicher, mit „Medivialziffern“ sind die „Mediävalziffern“ gemeint.

  • Frage. Hilfe!
    Ich benutze gerade die Wordvorlage mit Palatino 9.
    Ich möchte für den normalen Text Palatino 10 nehmen und für E-Mails Palatino 9.
    Geht das?
    Über eine schnelle Antwort würde ich mich freuen.

    • Hallo Ulrike,
      du meinst als Abgrenzung zur normalen „Hauptschrift“? Klar, das ist möglich, dass du da unterschiedliche Schriftgrößen verwendest. :-)
      Viele Grüße
      Jessy von BoD

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