Künstliche Intelligenz als Werkzeug: Einen Roman schreiben mithilfe von KI

Wie können dir KI-Tools beim Schreiben deines Romans helfen? Chancen und Grenzen.

27.02.2023 · BoD Schreiben · Veröffentlichen

Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Buchbranche ist das Thema künstliche Intelligenz (KI) gerade in aller Munde. Diese neue Technologie hat die Art und Weise, wie Bücher produziert und vermarktet werden, bereits verändert und die Möglichkeiten entwickeln und verbessern sich kontinuierlich. Künstliche Intelligenz wird auch zunehmend zu einem wichtigen Werkzeug für Autorinnen und Autoren, vor allem in den Bereichen Buchmarketing, Hörbuchproduktion, Buchcovergestaltung, Metadatenoptimierung für Buchtitel – ein spannendes Thema! 

Aber wie können KI-Tools wie zum Beispiel OpenAI, ChatGPT und DeepMind dir beim Schreiben deines Buches helfen?  

Unser Autor Christoph Morhard hat es ausprobiert. Wir haben mit ihm gesprochen und nach den Möglichkeiten und Grenzen der künstlichen Intelligenz gefragt. 

Hallo Christoph, du hast für dein Buch „Keltenfluch. Mord im Schwarzwald“ mit einem Tool für Künstliche Intelligenz gearbeitet. Wie kamst du auf die Idee, die Hilfe von KI zu nutzen? 

Ich arbeite beruflich sehr viel mit künstlicher Intelligenz. Dabei geht es nicht unbedingt nur um Text, sondern um alle möglichen Einsatzgebiete: von der Bilderkennung in der Medizintechnik bis zur Vorhersage von Finanzkennzahlen. Deswegen verfolge ich auch die Entwicklung in dem Bereich relativ genau. Vor circa anderthalb Jahren wurde dann eine Lösung von OpenAI für ausgesuchte Entwickler freigegeben, die im Prinzip der Vorläufer des inzwischen recht bekannten ChatGPT war. Als ich Zugang dazu erhielt, kam relativ schnell die Idee auf, diese neue Technologie auch in einem realen Anwendungsfall zu testen. Das hat mich insbesondere deshalb fasziniert, weil das in gewisser Weise ein Paradigmenwechsel war. Von „Computer sind dumm und machen nur das, was man ihnen sagt“ hin zu „Computer können augenscheinlich selbst kreativ sein“. Dass ich außerdem schon immer mal einen Roman schreiben wollte, hat da natürlich gut gepasst. 

Wie bist du vorgegangen und wobei genau hat die Künstliche Intelligenz (KI) dir geholfen – beim Plotten, Szenenausarbeitung oder bei den Metadaten?

Zum Erstellen des Plots habe ich die KI relativ wenig genutzt. Hauptsächlich habe ich mir zum Beispiel Namen oder Ähnliches vorschlagen lassen. An der einen oder anderen Stelle habe ich die KI aber auch genutzt, um mir Ideen zur Charakterisierung einiger der beteiligten Personen zu geben. Für solche Fragestellungen liefert die KI ganz gute Ergebnisse und bringt zusätzlichen Input ein, an den man selber gar nicht gedacht hat.

Relativ intensiv habe ich die KI dann beim eigentlichen Schreiben genutzt. Hier habe ich mir oft Vorschläge für bestimmte Szenen machen lassen. Zum Beispiel habe ich die Künstliche Intelligenz gebeten, mir eine düstere und unheimliche Szene im Wald zu schildern. Das habe ich dann als Gerüst für meinen eigenen Text verwendet.  

Auch für einige Dialoge habe ich mir Inspiration bei der KI geholt. Zum Beispiel wenn eine Person in einem Dialog über ihren Hintergrund erzählt. Hier muss man allerdings aufpassen, dass man sich nicht in Belanglosigkeiten verliert. Es kommt vor, dass die KI Dialoge liefert, die ein Lektor oder eine Lektorin im Nachhinein wieder zusammenstreicht, weil es zu langatmig ist.

Davon abgesehen habe ich die KI auch genutzt, um mir Inspirationen für das Drumherum zu holen. Zum Beispiel den Klappentext oder das Cover. Hier war dieser zusätzliche Input tatsächlich sehr wertvoll. 

Künstliche Intelligenz: Buchcover-Vorschläge

Künstliche Intelligenz: Bedienung

Ist die Bedienung des Tools einfach oder braucht es Übung? 

Die Art, mit so einem Tool zu arbeiten, erfordert tatsächlich eine gewisse Umstellung. Auch – oder vielleicht sogar gerade – für jemand, der viel mit Computern arbeitet oder sogar selbst schon mal in irgendeiner Form programmiert hat. Man ist es gewohnt, dass der Computer exakt das tut, was man ihm vorgibt. Das ist hier nicht so. Stattdessen muss man mit dem Tool ganz ähnlich interagieren, wie man es mit einem menschlichen Teammitglied tun würde. Es gibt keine standardisierten Formeln oder Ausdrücke, stattdessen muss man in Prosa beschreiben, was man von der Künstlichen Intelligenz will. Und es ist nicht immer gesagt, dass die KI wirklich liefert, was man sich eigentlich vorgestellt hat. Hier sind oft mehrere Versuche nötig. Aber ähnlich wie bei der Zusammenarbeit mit menschlichen Teammitgliedern „gewöhnt“ man sich im Lauf der Zeit aneinander und desto besser klappt dann auch die „Zusammenarbeit“. 

Stichwort „Harmonisierung“ – Wie bekomme ich die KI dazu, sich meinem Schreibstil anzupassen? Kannst du Beispiele nennen? 

Jedes moderne Tool erlaubt es, längere Textabschnitte vorzugeben, die die KI nutzt, um sich an einen gewissen Stil anzupassen. Man kann also sozusagen Proben seiner eigenen Texte nutzen, um die KI an den eigenen Stil anzupassen. Schwieriger ist es, sehr konkrete Dinge von der KI zu verlangen. Manchmal hat man zum Beispiel ein bestimmtes Bild in einer Szene im Kopf und möchte genau das generiert haben. Dieses muss man dann tatsächlich auch möglichst exakt beschreiben. Die KI liefert bei den folgenden Beispielen völlig unterschiedliche Texte: 

Describe the bedroom of a typical 14-year old for a novel. 

Künstliche Intelligenz: Beschreibung eines Jugendzimmers

I want to write a novel and need the following piece of text: Describe the bedroom of a 14-year old boy who grows up in a remote village and is a big soccer fan. He has an older brother he adores and is good at school. He has many friends and acts like the typical adolescent boy but he really tries hard to stay out of trouble.

Künstliche Intelligenz: Detaillierte Beschreibung eines Jugendzimmers

Anmerkung: Bei den meisten KIs erzielt man mit englischen Texten bessere Resultate, auch wenn sie prinzipiell auf Deutsch funktionieren. Es lohnt sich, selbst zu übersetzen oder ein Online-Tool dafür zu nutzen. 

Warum hast du trotzdem ein Lektorat bei einem unserer erfahrenen Lektoren in Anspruch genommen? 

Eine Künstliche Intelligenz ist schon ein ganz gutes Hilfsmittel, aber das betrifft hauptsächlich kürzere Textabschnitte. Längere Passagen oder gar ganze Kapitel lassen sich damit nicht oder nur sehr eingeschränkt bearbeiten. Hier ist nach wie vor der Mensch nicht zu ersetzen. Weder in der Erstellung des Werkes noch in dessen Lektorat. Außerdem gibt es einige Aspekte, die ein gutes Lektorat liefert und die durch eine KI überhaupt nicht abgedeckt werden: das Aufzeigen von Logikbrüchen oder Unklarheiten im Plot, Hinweise zur Charakterisierung von Personen, stilistische Vorschläge und Korrekturen, Hilfestellung bei der Erzählstruktur und noch vieles mehr.  

„KI kann gute Ideen liefern, Szenen, die einem selbst schwerfallen, vorstrukturieren oder zum Teil auch ausarbeiten.“

Christoph Morhard

Künstliche Intelligenz: Grenzen und Chancen

Wo liegen deiner Meinung nach die Grenzen bei der Arbeit mit einem KI-Tool? Kann KI menschliche Kreativität ersetzen oder gibt es auch Gefahren?  

Zum aktuellen Zeitpunkt würde ich die KI als Hilfe für Kreativschaffende und insbesondere natürlich Autoren sehen. Sie kann gute Ideen liefern, Szenen, die einem selbst schwerfallen, vorstrukturieren oder zum Teil auch ausarbeiten. Grundsätzlich denke ich, macht sie die Arbeit an manchen Stellen deutlich leichter und erlaubt es, sich auf das eigentliche Werk zu konzentrieren. Sie macht den Autor nicht überflüssig, sondern entlastet ihn und gibt ihm mehr Raum, sich zu entfalten. Selbstverständlich gibt es noch eine Menge ungeklärte Fragen. Sowohl rechtlicher als auch gesellschaftlicher Art:

Darf jemand, der sich von einer KI unterstützen lässt, zum Beispiel Preise erhalten? Wie verhindert man eine KI, die massenhaft Fake News verfasst und damit die sozialen Medien und die öffentliche Meinung beeinflusst?

Aber solche Fragestellungen ergeben sich bei jeder neuen Technologie und mittelfristig werden sich dafür Lösungen finden.  

Ich würde das gerne so als grundsätzlich positives Fazit stehen lassen. Aber als jemand, der beruflich in dem Bereich tätig ist und auch forscht, bin ich selbst oft überrascht, wie unfassbar schnell der Fortschritt verläuft. Vielleicht kommen wir irgendwann an einen Punkt, an dem sich das verlangsamt? Aber wenn nicht, dann ist es nicht unrealistisch anzunehmen, dass zumindest einfachere Werke in nicht allzuferner Zukunft nicht mehr von Menschen geschrieben werden, sondern von einer KI.  

Hast du Tipps für andere Autorinnen und Autoren? Was sind die Vor- und Nachteile an der Arbeit mit KI? 

Richtig eingesetzt ist die Künstliche Intelligenz ein großartiges Hilfsmittel. Sie kann dazu beitragen, einen besseren Text zu verfassen, als es ohne KI möglich gewesen wäre. Einfach weil sie ständig verfügbar ist und immer Input liefern kann, wenn man gerade nicht weiterkommt. Das können einfache Dinge wie Namensvorschläge, aber auch kompliziertere Dinge wie Ideen zum Plot oder Szenenbeschreibungen sein.

Allerdings besteht hier die Gefahr, dass man sich verzettelt. Man neigt dazu, viel Zeit mit der KI zu verbringen und zum Beispiel durch Variation von Fragen immer neu Szenenbeschreibungen generieren zu lassen, bis man die perfekt passende gefunden hat. Das kann sehr viel Zeit kosten und letztlich deutlich länger dauern, als einfach nur den Input aufzunehmen und den Text selbst zu schreiben. Außerdem sollte man sich von der KI nicht von seinem geplanten Plot abbringen lassen. Es geschieht schnell, dass man durch das „Aneinanderstückeln“ von KI-Vorschlägen Nebenhandlungsstränge aufmacht, die eigentlich gar nicht wirklich in den Plot passen.

Insbesondere denke ich auch, dass mit der KI das Ins-Blaue-Schreiben – also mit dem Schreiben zu beginnen, ohne vorher den genauen Plot ausgearbeitet zu haben – deutlich schwieriger wird. Gerade weil man ständig abgelenkt und mit neuen Ideen versorgt wird. Alles in allem denke ich, ist die KI ein großartiges Hilfsmittel, aber es ist glaube ich ein größeres Maß an Selbstdisziplin beim Schreiben nötig als ohne KI. 

Fazit

Künstliche Intelligenz eröffnet viele spannende neue Möglichkeiten für dich als Autor oder Autorin. KI kann mit ein bisschen Übung ein tolles Werkzeug sein, wenn du deine Schreibprozesse optimieren möchtest und Input suchst. Sie kann zum Beispiel dabei helfen, die Komplexität der Textstruktur zu verwalten, die Verständlichkeit und den Lesefluss zu verbessern und die Recherche sowie das Nachschlagen von Informationen zu erleichtern. Bei Namen, Eigenschaften und Zusammenfassungen kann sie ein hilfreicher Ideengeber sein. Das klingt verführerisch!  

Einige Fragen, die die Nutzung von KI betreffen, sind aber aktuell noch offen und die rechtlichen Grundlagen und Grenzen müssen erst noch definiert werden. Es stellt sich Autor*innen, aber auch Verlagen zum Beispiel die Frage nach dem Urheberrecht, der rechtmäßigen Autorenschaft und der inhaltlichen Verantwortung.  

Obwohl KI-basierte Programme potenziell den Prozess des Schreibens deines Romans vereinfachen können, solltest du die möglichen Risiken und rechtlichen Fragen unbedingt berücksichtigen, die mit der Verwendung von KI beim Schreiben eines Romans verbunden sind. Von KI genannte Fakten sind nicht immer korrekt und die Datengrundlage nicht immer aktuell, daher bleiben Kontrolle und Verantwortung für Qualität und Richtigkeit bei dir als Autor oder Autorin. 

Dazu ein abschließendes Beispiel. Wir haben die KI gefragt: 

„Wer hat den Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2022 erhalten?“ 

Die Antwort war

Die richtige Antwort hätte lauten müssen: Der ukrainische Schriftsteller,
Übersetzer und Musiker Serhij Zhadan hat den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022 erhalten.

Autorin

Hannah Staudt

ist seit 2016 im Bereich Buch-Projektmanagement für das Buchdesign & Lektorat-Team tätig. Sie betreut Buchprojekte vom Lektorat bis zum Cover. Wenn Sie privat nicht gerade die Laufschuhe trägt, liest sie gerne Gegenwartsliteratur und interessiert sich für Kunst und Kultur in jeglicher Form.

Kommentare

  • Ich nutze Chat GPT wie vom Autor beschrieben. Ich finde sie hilfreich – wie vor vielen Jahren meinen ersten MAC.
    Die Technologie wird sich weiterentwickeln. Vermutlich deutlich schneller, als wir uns vorstellen können. Solange wir unsere persönliche Intelligenz nicht der künstlichen unterordnen, sehe ich keine Probleme.

  • Was man bei der Arbeit mit z.B. ChatGPT nicht vergessen darf ist, dass die Programme in Wahrheit nur Texte wiederkauen, die sie in der Lernphase im Netz gefunden haben und diese miteinander kombinieren. Die Software besitzt keine echte Intelligenz, die Texte kreativ neu erschafft. Damit besteht die Gefahr – wenn man sich beim Schreiben zu sehr helfen lässt – dass ganze Absätze oder Seiten, Kopien von bereits bestehenden Werken sind.

    Ich arbeite bei der Vorbereitung von Vorträgen und Unterrichten mit ChatGPT und habe festgestellt, dass manche Texte 1 : 1 Kopien von Fachbeiträgen im Internet sind.

  • Die Geschichten, Texte, Szenen, Charaktere usw. von KI (bisher habe ich nur ChatGPT ausprobiert) sind immer formelhaft. Sampler. Seelenlos. Man bemerkt das. Vor allem dann, wenn man sich mit KI Texten beschäftigt – und das werden die Leute.

  • Ich lese sehr viel, werde aber kein Buch lesen, das mit KI geschrieben wurde. Es gibt inzwischen ebenfalls Programme die feststellen können, ob ein Buch durch einen richtigen Autor oder ein KI Programm geschrieben wurde. Amazon lehnt bereits Bücher ab, welche durch diese Programme geschrieben werden. Auf Twitter rühmen sich Personen, die ganze Bücher mit Ki schreiben. Mit einem Autor/in hat dies nichts mehr zu tun. Ich stimme Wolfgang zu. Geschichten und Texte oder Szenen von KI sind seelenlos. Ich fühle mich gerne in den Autor/in hinein, wenn ich ihre Bücher lese.

Schreibe einen Kommentar

*Pflichtfelder